Die Gutachten der Vertrauensärzt:innen der österr. Botschaften sind vielfach nicht ausreichend begründet, mangelhaft und werden im Verfahren nicht als Nachweis anerkannt. Ein solches Gutachten ist allerdings nötig, wenn etwa ein Angehöriger im Wege der Familienzusammenführung nach Österreich kommen soll und aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht (mehr) in der Lage ist, den notwendigen A1 Sprachnachweis zu erbringen. Auf was man noch vor der Einbringung des Antrages achten sollte, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Was sind Vertrauensärzt:innen?
Vertrauensärzt:innen sind Ärzt:innen in den jeweiligen Staaten, die von Seiten der österr. Botschaft empfohlen werden. Es handelt sich allerdings nicht um Ärzt:innen, die unmittelbar bei der österr. Botschaft angesiedelt oder bei der Botschaft angestellt sind. Oftmals sind es Ärzt:innen mit eigener Praxis. Die österr. Vertretungsbehörde verweisen Österreicher:innen im Ausland, die eine Behandlung oder einen Rat benötigen, an diese Ärzt:innen.
Sie sind auch für die Erstellung von Gutachten heranzuziehen, falls eine Person der Meinung ist, dass er/sie nicht mehr in der Lage ist, ein Sprachzertifikat zu erlangen.
Welche Anforderungen gibt es an Gutachten?
Das Gutachten eines Sachverständigen, etwa eines Arztes, muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „Befund“ und „Gutachten“ enthalten.
Der Befund ist die vom Sachverständigen – wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden – vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlußfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn (VwGH, 22.12.2004, 2002/08/0267).
Fehlt bei einem Gutachten etwa der Befund, das heißt jener Teil, in dem dargelegt wird, wie der Sachverständige zu seinen Schlussfolgerungen kommt, ist das Gutachten mangelhaft. Dasselbe gilt, wenn ein Gutachten lediglich den Befund enthält, eine nachvollziehbare Schlussfolgerung, das eigentliche Gutachten, aber fehlt.
Ein Gutachten muss somit schlüssig und nachvollziehbar sein (VwGH 23.0.2023, Ra 2022/07/0196). Es muss auch für einen Außenstehenden erkennbar sein, wie der Sachverständige zu seinen Schlussfolgerungen gekommen ist.
Das bedeutet: Ein Gutachten ist ein Beweismittel wie jedes andere und wird entsprechend überprüft. Die Vorlage eines Gutachtens führt nicht „automatisch“ dazu, dass etwa der schlechte Gesundheitszustand einer Person von der Behörde angenommen wird und man kein Sprachzertifikat vorlegen muss.
Mangelhafte Gutachten durch Vertrauensärzt:innen der österreichischen Botschaften
In der Praxis legen Antragsteller:innen in ihren Verfahren immer wieder Gutachten von Vertrauensärzt:innen vor, die oftmals nur aus einer Seite bestehen und lediglich Diagnosen über bestehende Erkrankungen enthalten. Wie der/die Vertrauensärzt:in zu diesen Diagnosen gekommen ist und welche Schlussfolgerungen daraus zu ziehen sind, etwa ob es der Person zumutbar ist, eine Sprachprüfung abzulegen oder nicht, fehlen oftmals. Teilweise besteht das „Gutachten“ lediglich aus einem Satz, in dem festgehalten wird, dass die Person die Prüfung nicht ablegen kann oder nicht Deutsch lernen kann.
Ein solches Gutachten enthält einerseits keinen Befund. Es ist unter Umständen auch nicht nachvollziehbar.
In vielen Fällen akzeptieren die Aufenthaltsbehörden in Österreich ein solches Gutachten. Es ist bekannt, dass ausländische Ärzt:innen nicht diesselben Sprachkenntnisse aufweisen, wie ein Arzt oder eine Ärztin in Österreich. Die Erwartungshaltung an ein derartiges Gutachten ist entsprechend niedriger. Nicht zuletzt ist es auch eine Kostenfrage, da die Kosten für die Gutachten von den Antragsteller:innen oder ihren Angehörigen getragen werden müssen.
Fehlen aber grundlegende Voraussetzungen, werden diese Gutachten, etwa von der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien – abgelehnt.
Die Folge ist, dass der/die Antragsteller:in keinen Nachweis dafür erbracht hat, dass er/sie nicht in der Lage ist, das nötige Sprachzertifikat vorzulegen. Wenn von Seiten der Behörde die Mitteilung ergeht, dass ein Gutachten nicht anerkannt wird, bleibt oftmals auch nicht genügend Zeit, ein ergänzendes Gutachten einzuholen.
Einschätzungen der österr. Botschaft nicht bindend
In einem mir bekannten Fall, wurden Zweifel an der Qualität des Gutachtens sogar an die österr. Botschaft herangetragen. Die Botschaft hat in diesem Fall mitgeteilt, dass das Gutachten in Ordnung sei.
Bitte denken Sie daran, dass die Entscheidung über den Antrag nicht von der österreichischen Botschaft getroffen wird, sondern von der Behörde in Österreich.
Die Behörde in Österreich ist nicht an die Einschätzung der österr. Botschaft gebunden: Auch wenn die österreichische Botschaft ein Gutachten als ausreichend erachtet, kann die Behörde in Österreich zu einem anderen Ergebnis kommen.
Fazit
Ist das Gutachten sehr kurz oder fehlt eine nachvollziehbare Begründung? Es kann sich lohnen, nochmals auf den/die Vertrauensärzt:in zuzugehen und diesen um eine Ergänzung zu ersuchen. Gerne kann das Gutachten auch im Rahmen einer Rechtsberatung näher besprochen werden. Einen Termin können Sie hier buchen.
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